26. November 2021Im adventlich geschmückten Treffpunkt in Hamburg
Im adventlich geschmückten Treffpunkt des Vereins Lange Aktiv Bleiben e. V. in Hamburg-Hamm fand am 26. November eine besondere Gesprächsrunde statt. Die Freitagsgruppe, die sich wöchentlich trifft, um Vorträge zu interessanten Themen des Alltags zu hören, wollte mehr über die neuen Nachbarinnen und Nachbarn in Hamburg erfahren. Unser Projekt war zu Gast und brachte gleich vier Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner mit. Maysaa, Behnaz, Nadia und Tamim hatten sich bereit erklärt, von ihrem Leben zu erzählen. Sie berichteten nun von dem, was sie zurücklassen mussten, von der ausgestandenen Todesangst auf der Flucht und vom Ankommen im Hamburg.
Maysaa, aus Syrien nach Hamburg gekommen, erzählte stolz von ihren Kindern, die inzwischen ein evangelisches Gymnasium besuchen und die ihrer Meinung nach gar nicht gut genug in der Schule sein können. Auch von der ungewohnten neuen Rolle als der Starken in der Familie sprach sie, die inzwischen viele Freundschaften knüpfen konnte. Nadia, die in Afghanistan ein gutes Leben geführt hatte, schilderte die Erinnerung ihrer kleinen Tochter an die Flucht. Beim Besteigen des kleinen Bootes, das die Familie nach Griechenland bringen sollte, ging die Puppe der Dreijährigen verloren. Noch heute sagt sie. „Das böse Wasser hat die Puppe genommen.“ An mehr könne sie sich nicht erinnern, aber oft frage sie „Mama, warum sind wir hier?“. Ihr Mann und sie haben beschlossen, ein Buch zu ihrer Fluchtgeschichte zu schreiben, mit genau diesem Titel: Mama, warum sind wir hier? Zur Buchvorstellung erging schon mal eine herzliche Einladung in die Runde. Behnaz kann nicht verstehen, warum manche Menschen in ihr eine Terroristin sehen, nur, weil sie aus Afghanistan stamme und Muslima sei. Schließlich sei sie doch vor den Extremisten geflohen und hatte sich mit zwei kleinen Kindern alleine auf den langen Weg nach Deutschland gemacht. Tamim beschrieb eindrücklich, wie er immer mehr das Gefühl hatte, niemandem in seiner Umgebung mehr vertrauen zu können, bis er schließlich soweit war, sein Heimatland Afghanistan zu verlassen und anderswo einen Neuanfang zu wagen.
Die teilnehmenden Seniorinnen und Senioren fühlten sich an eigene Erlebnisse erinnert, die sie bis heute prägen, wie die Vertreibung oder der ewige Hunger in der Nachkriegszeit. Eine ältere Dame erzählte von ihrem Enkel, der jetzt Kommilitonen mit afghanischen Wurzeln habe, sehr faszinierend finde sie das, und es mache sie stolz, dass die jüngere Generation so unbefangen miteinander umgehen kann. Eine andere Teilnehmerin brachte noch einmal einen nachdenklichen Ton ins Gespräch, ihrer Meinung nach sei es der Wohlstand der Einzelnen, der die Menschen dazu gebracht habe, nur auf das eigene Leben zu schauen und sich nicht um andere zu kümmern. Der momentanen Situation kann sie deshalb sogar etwas Gutes abgewinnen: Corona bringe alle wieder zusammen, das spüre sie auch heute in dieser Runde. Für ihre bewegten Worte bekam sie den Applaus der Anwesenden.