27. April 2022„Das sind keine Ausländer, die kommen einfach nur woanders her.“
Das Mehrgenerationenhaus in Oldenburg ist ein Treffpunkt und Austauschort für viele Menschen aus der Gegend. Unabhängig des Alters oder des kulturellen Hintergrundes hat sich das Mehrgenerationenhaus zu einer wichtigen Institution für die Menschen aus der Nachbarschaft entwickelt. Das Miteinander steht hier im Mittelpunkt. Das heißt auch, miteinander und voneinander zu lernen. Dabei ist das Angebot vielseitig und beliebt: Ob in Lehrgängen zur richtigen Internet- und Handynutzung, Deutschkursen oder Gesprächs- und Spielrunden, jede und jeder ist herzlich eingeladen. Im Sinne dieser vielfältigen Möglichkeiten hat das Mehrgenerationenhaus Oldenburg zusammen mit unserem Verein am Vormittag des 27. April zu einem interkulturellen Austausch eingeladen. In der Gesprächsrunde erzählte Hadiya Haamed von ihren Erfahrungen und Eindrücken über ihr Leben und ihre Ankunft in Oldenburg sowie über die Hürden, die es für sie bei der Integration in die deutsche Gesellschaft zu überwinden galt. Schwerpunkt des Gespräches waren vor allem die kulturellen Unterschiede zwischen dem Leben und Alltag in Deutschland und im Irak. Die junge Frau kam im Alter von 16 Jahren mit ihrem damals gerade erst geborenen Kind in die Bundesrepublik. Heute lebt die 24-jährige zusammen mit ihrem Mann und zwei Kindern in Oldenburg und spricht einwandfreies Deutsch. Ihre Familie ist im Laufe der Zeit ebenfalls aus dem Irak nach Oldenburg gekommen.
Integriert in die morgendliche Kaffeerunde entstand so ein angenehmes und ungezwungenes Gespräch zwischen Hadiya und dem Kreis an neugierigen Seniorinnen und Senioren. Der vertraute Umgang der Gruppe, die sich fast täglich im und um das Mehrgenerationenhaus versammelt, trug zu einer offenen und herzlichen Atmosphäre bei. Hadiya und andere Geflüchtete sind bereits seit einigen Jahren fester Bestandteil der Kaffee- und Gesprächsrunden, sowie anderer Veranstaltungen des Mehrgenerationenhauses. Die Beteiligten erzählten unter anderem von den engen Bindungen, die im Laufe der Jahre entstanden sind. So war es nicht unüblich, dass die Älteren die Kinderbetreuung übernommen haben, während Hadiya und ihr Mann am Programm des Mehrgenerationenhauses teilnahmen. „Ich war wie der Opa für sie“, berichtete Uwe, einer der Senioren. Die Integration von Hadiya im Mehrgenerationenhaus hat von beiden Seiten aus gut funktioniert. „Hadiya hat sich an uns und unsere Eigenheiten gewöhnt“, hieß es scherzhaft von Seiten der Seniorinnen und Senioren. Jedoch mussten auch hier erste Hürden gemeistert werden. Die junge Irakerin beschreibt ihre ersten Kontakte mit Deutschen als eher zurückhaltend und distanziert von Seiten der Gastgeberinnen und Gastgebern. Lotti, die mit ihrem Mann Heinz seit einigen Jahren gleich nebenan wohnt, bestätigt diese Einschätzung. Dabei würden die Sprachbarriere, anfängliche Berührungsängste und die Sorge, nicht verstanden zu werden, eine große Rolle spielen. Um diese Hindernisse zu umgehen, hat Lotti jedoch einen guten Tipp parat: „Lächeln hilft.“ Heute lachen sie viel zusammen, denn Hadiya und andere Frauen mit Fluchterfahrungen sind aktive und geschätzte Mitglieder der Runde. Im Irak war es ihnen nicht erlaubt ohne männliche Begleitung das Haus zu verlassen, berichtet die junge Frau. Ein starker Gegensatz zum gesellschaftlichen Leben in Deutschland. Gewöhnt an diese neue Freiheit hat sie sich jedoch schnell: „Manche Wege muss man alleine gehen – ohne Mann. Das ist ganz neu für mich.“
So entstand ein angeregter Austausch über kulturelle Unterschiede. Vor allem in Sachen Familienzusammenhalt könnten die Deutschen sich einiges abschauen, so die einstimmige Meinung der Älteren. Isolde, die seit 2 Jahren im Mehrgenerationenhaus wohnt, war positiv überrascht von der Offenheit und Herzlichkeit der Geflüchteten gegenüber der neuen Umgebung. Zudem zeigten die Bewohnerinnen und Bewohner viel Bewunderung für die Ruhe und Gelassenheit in der irakischen Kultur. Dort verstünde man es, das Leben mehr zu genießen, das sei im durchstrukturierten hektischen Deutschland fast gar nicht mehr möglich, merkte die Gruppe an.
Hadiya vermisst den Irak dennoch nicht. Für sie ist Oldenburg ihr neues Zuhause. Obwohl sie schon hervorragend Deutsch spricht, möchte sie einen Sprachkurs an der Volkshochschule besuchen, um danach eine Ausbildung zur Krankenschwester machen zu können. Sie hofft darauf, dass sie und ihre Familie auch in Zukunft, am liebsten für immer, in Oldenburg bleiben können.