28. September 2021Autos, die am Zebrastreifen anhalten
Im Mehrgenerationenhaus „Oberschaffnei“ in Ehingen kamen am 28. September etwa 20 Interessierte zu einer Gesprächsrunde unter dem Motto „Mein, dein, unser Deutschland“ zusammen. Abdoul Mansour kam als 15-Jähriger nach Deutschland, zusammen mit zwei Kumpels und einem Cousin. Dass er von Anfang an viel mit Deutschen in Kontakt war, bezeichnete er im Rückblick als einen glücklichen Umstand. Denn das Erlernen der Sprache empfindet er als wichtigste Voraussetzung, um in Deutschland anzukommen. Dass er als Jugendlicher einen gewissen Schutz hatte, dafür sei er dankbar, in der Türkei, wohin er aus Syrien mit seiner Familie zunächst gegangen war, musste er die Familie mit 12-Stunden-Schichten in der Gastronomie unterstützen. Nun hat der 22-Jährige einen Schulabschluss, eine Ausbildung als Kfz-Mechatroniker, und er arbeitet inzwischen bei einem bekannten Ehinger Unternehmen. Augenzwinkernd berichtete er, dass er zu einem geselligen Beisammensein nach Feierabend auch gerne mal einen Kasten Bier mitbringe.
Bis Roya Rahmani sich ohne Angst in Deutschland bewegen konnte, verging sehr viel mehr Zeit. Seit 2021 ist sie mit Mann und Tochter in Deutschland, bis vor Kurzem haben sie mit dem Status der Duldung leben müssen. Eine Zukunft ließ sich nicht planen, denn Duldung, das bedeutet: kein Deutschkurs, keine Ausbildung, keine Arbeitserlaubnis, kein Umzug. Einmal kam ein Brief, dass die Familie innerhalb von zwei Wochen das Land verlassen müsse. Sie sei sich sicher, dass ihre Tochter die Angst, die ihr täglicher Begleiter gewesen war, gespürt habe, obwohl sie sie immer zu verbergen suchte. Ein Buchprojekt mit Geschichten aus ihrem Heimatort war da wie eine Therapie, so eignete sie sich nach und nach die deutsche Sprache an – auf einem beachtlichen Niveau. Sie hatte Hilfe dabei, alles auf Deutsch aufzuschreiben, so wie auch Abdoul immer wieder Hilfe und Unterstützung von haupt- und ehramtlich Engagierten aus Ehingen bekommen hat. Freundinnen und Freunde aus dieser Zeit waren bei der Gesprächsrunde anwesend und bekräftigten noch einmal, wie gut den beiden das Ankommen gelungen sei und wie sehr man sie als neue Mitbürgerinnen und Mitbürger schätze.
Allerdings, so die von vielen der Anwesenden geteilte Meinung, machen Bestimmungen und Gesetze den Neuankömmlingen das Leben unnötig schwer, das zeige das Beispiel von Roya Rahmani. Einen Riesenrespekt habe man davor, dass sie nie aufgegeben habe und dabei auch immer noch die Kraft aufgebracht habe, sich für andere einzusetzen. Aber alle Versuche, ihren Status schon früher zu klären, seien ins Leere gelaufen, bei allen Behörden habe man auf Granit gebissen. Das sei eine sehr bittere Erfahrung gewesen und mache einen mürbe, so ein schon lange aktiver Unterstützer. Roya Rahmani blickt nicht zornig zurück, sondern hat auch humorvolle Momente des Ankommens gespeichert. Sie weiß zum Beispiel noch, wie irritiert sie davon war, dass die Autos in Deutschland tatsächlich am Zebrastreifen anhielten.